fotsetzung

Doch, zurück zum Ausgangsthema Religion. Die vorliegende Darstellung beantwortet übrigens sehr klar auch die immer wieder gehörte Frage, warum das Christentum, das ja von seinem christlichen Kern immer eine sehr humane und politisch durchaus antiimperiale, ja revolutionäre Haltung vertritt, zugleich mit diesem ganzen historistisch- doktrinären Pomp einer theokratisch-imperialen Weltstadt erscheint. Rom, der Kern eines global-zentralisierten pseudoterritorialen Weltreichs, das weltweit Demokratien vor allem von ihrer eigenen römischen Einteilung in Diözesen und den in ihr herrschenden kirchlichen Regenten wahrnimmt, wie die neuerlich forcierten 'lnvestituren' von Bischöfen in Europa zeigten. All dies besagt: die christliche Lehre ist zweifellos auch weitgehend Grundlage zur Machtpolitik auf höchster Ebene mit klarem Ziel: das Weltreich der Nicaenischen Synthese. <25>

Von diesem Punkt her liegt auch ein Hauptakzent unserer Schlüsse im Aktuellen. Es geht um die erschreckenden Prozesse der neuerlichen Medievalisierung, denen die Welt in den letzten Dezennien ganz konkret ausgesetzt war. Weltweit sind sie aufgebrochen, die historistischen Fundamentalismen, 2000 jährige Geschichten beginnen wieder unsere moderne Welt zu kontrollieren. Es gibt wieder Religionskriege mit bestialischen Abschlachtungen im Namen Gottes! Eine fundamentalistisch programmierte Gesellschaft bricht in unseren Alltag ein. Die Universitäten sind weithin zu blossen Berufsschulen abgesunken. Humanforschung wird (d)evaluiert! 'Die neue Armut', Gottesstrafe! Auch der Markt hat sich gleichsam zum Gotteswort entwickelt! Neue alte Hierarchien sind gesetzt. Deutlich laufen die Fäden, vielfach direkt oder indirekt, nach Rom <26> Nicht zuletzt ruft auch das unter Ausbeutung aller medialen Mittel demonstrierte neuerliche Machtstreben Roms dringend nach Aufklärung.

In der Tat, das Erkennen all dieser Zusammenhänge tut not. Die akute Diskrepanz zwischen den realen Voraussetzungen unseres Weltbildes (die wir aufzuweisen versuchten) und den gigantomanen Spekulationen, die sich an sie knüpfen, verpasst den meisten Menschen eine völlig inadäquate Optik. Die metaphysischen Formeln, die sich in diesem Weltbild verstecken, implizit gesicherte Existenz und materiellen Reichtum versprechend, verdecken Millionen die Sicht auf die humane Wirklichkeit. Es grenzt an hellen - globalen - Wahnsinn, die heutige industrielle Produktionskapazität mit einer mittelalterlich-scholastischen Fiktion zugleich anzutreiben, zu stützen und zu kontrollieren. Wir müssten uns vielleicht überdringlich fragen, wo - in dieser Welt eigentlich - unsere real humane Verantwortung liegt.

Ausblick

Das Millennium steht vor der Tür. Rom bereitet sich mit enormem Aufwand für Millionen Besucher vor! Urbi et Orbi, Weltstadt und Welthorizont, die alte Devise des römischen Imperiums wird auf die Gläubigen der modernen Welt projiziert. Wir sind uns jetzt klar darüber, worauf sich das möglicherweise gründet! 'Der ewig brennende Dornbusch'. Eigentlich in höchstem Masse tragisch.

Doch, wenn es - am Ende des 20. Jahrhunderts - für den Anfang des dritten Jahrtausends eine Hoffnung geben könnte, dann nur diese: dass der europäische Mensch, und all jene, die seine 'Geistes'-Werkzeuge übernehmen, sich allmählich aus dieser illusionären Welt der pseudo-theokratischen Weltreiche und ihrer Zwänge befreien und - über die verschiedenen Kulturen hinweg - zu sich selber, zum Menschen finden.

Wenn es einen Weg gäbe, der zur Erfüllung dieser Hoffnung führt, er könnte nur eines sein: eine neue Anthropologie, die die verhängnisvollen eurozentrischen Historismen in unserem modernen Weltbild überwindet. <27>


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